In seiner letzten Sitzung hat der Stadtrat mehrheitlich beschlossen, einen Am Sulzbogen bereits fertig geplanten Schülerhort nunmehr an der Cerveteristr. neu zu planen und zu errichten. Hintergrund dieser Entscheidung war die Meinung des OB, angesichts gestiegener Baukosten könne das langjährig beschlossene Projekt eines Wohnhauses mit integriertem Schülerhort im EG nicht mehr wirtschaftlich dargestellt werden. Nachdem der Schülerhort für die Kinder im Westen aber dringlich notwendig bleibt, soll er nunmehr mit fadenscheinigen Argumenten eben an die Cerveteristraße verlegt werden.

Das geplante Gebäude Am Sulzbogen 22 war nach dem Neubau unserer Häuser an der Parsevalstraße das letzte von drei städtischen Wohnbauprojekten, die noch unter OB Pleil auf den Weg gebracht wurden. Sie waren damals eigentlich als Ausgleich gedacht, weil die Stadt gegen stattliches Entgelt auf eigene Belegungsrechte in einem anderen Projekt verzichtet hat, das ein privater Bauträger ausgeführt hat.

Städtischer Wohnungsbau muss politisch gewollt sein und aktiv umgesetzt werden

Weiterer Hintergrund: Im Zuge der Nachberatungen des städtischen Haushalts 2018 schlug OB Raff bereits vor, sämtliche städtischen Wohnbauprojekte zu streichen, um andere Vorhaben genehmigungsfähig darstellen zu können. Vernünftige Vorüberlegungen wie den Bau von Wohnungen über geplanten stadteigenen Kitas sollte die zu gründende Wohnbaugesellschaft des Landkreises übernehmen (oder sonst jemand, notfalls auch ein privater Bauherr). So schön wir es finden, dass die Stadt FFB mit dem Landkreis und weiteren Kommunen unseren jahrelangen Forderungen entspricht und derzeit deren Aufbau aushandelt. Niemand kann derzeit sagen, ab wann diese Gesellschaft ernsthaft selbstständig in der Lage sein wird, Wohnungen zu bauen. Wohnungen brauchen wir aber jetzt. Konkret und nicht als Versprechen auf die Zukunft.

Wie alle damaligen Kandidaten hat Erich Raff vor seiner Wahl zum OB beteuert, Beschaffung bezahlbaren Wohnraums müsse obere Priorität haben. Die CSU-Fraktion hatte damals sogar selbst (!) beantragt, die Errichtung einer städtischen Wohnbaugesellschaft prüfen zu lassen (obwohl unser gleichlautender Antrag damals schon seit Jahren in den Schubladen vermoderte). Schon beim ersten Gegenwind hat er sich von solchen Vorstellungen wieder verabschiedet.

Kann städtischer Wohnungsbau „nicht rentierlich“ sein?

So hat er durch seine Verwaltung Befürchtungen vortragen lassen, dass (die überall anfallenden) Baukostensteigerungen städtischen Wohnungsbau am Sulzbogen so verteuern könnten, dass sie aus seiner Sicht mit bezahlbaren Mieten keine kostendeckende Refinanzierung ermöglichen. Den damaligen, einstimmig erteilten Auftrag des Stadtrats, über gebündelte Ausschreibungen neue Wege zu suchen, hat er ignoriert. Der zur selben Zeit an der Senserbergstraße bereits begonnene Kita-Bau wies solche Steigerungen ganz überraschend nur höchst begrenzt auf.

Außerdem trägt die CSU-Fraktion gerne vor, Wohnungsbau gehöre eben nicht zu den städtischen Pflichtaufgaben und müsse deswegen „leider“ eben hintanstehen. Diese Meinung wäre dann nachvollziehbar, wenn es sich nicht um Ertrag bringende Vermögenswerte handeln würde. Eine Platzgestaltung am Viehmarktplatz oder der Bau eines Sportzentrums (ebenfalls keine städtischen Pflichtaufgaben, aber trotzdem wichtig und notwendig) verursachen tatsächlich Ausgaben, weil sie im Gegensatz zu Wohnungen nach Errichtung keine Einnahmen hervorbringen.

Falsch dabei ist der Spargedanke: Kommunaler Wohnbau (und nur dieser) wird derzeit von Bund und Land mit 30% gefördert. Soweit er rentierlich ist, belastet er auch nicht die Haushaltssituation der Stadt und wird von der Kommunalaufsicht akzeptiert. Wer es in Zeiten von Niedrigzinsen mit einer 30%igen Förderung auf eigenen Grundstücken nicht hinbekommt, bezahlbaren Wohnraum finanzierbar zu realisieren, der kann entweder nicht rechnen oder will ihn prinzipiell nicht.

Fehlverstandene „Kompromisse“ lösen keine Probleme

Trotzdem verbleibt in der aktuellen Situation das Problem, den ursprünglich auf Anraten der Verwaltung in das Wohnbauprojekt integrierte Schülerhort bald bauen zu müssen, aber eben nach Ansicht des OB ohne Wohnungen. Nur aus dieser Pseudo-Not heraus entstand der Gedanke, den Hort eben jetzt doch wieder eigenständig an der Cerveteristraße zu errichten.

Dem haben BBV und CSU nunmehr zugestimmt unter der (BBV-)Bedingung, dass am Sulzbogen weiter in städtischer Hand gebaut wird. Damit ist das Viehmarkt-Syndrom mit Ewigkeits-Stillstand vorprogrammiert: Eine für eine dreiviertel Million erstellte, baureife Planung wird in die Tonne getreten. Der notwendige Schülerhort wird für etwa 1,5-2,0 Mio.€ an eher ungünstiger Stelle gebaut, noch dazu einstöckig. Das mag fachlich korrekt sein, ändert aber nichts am sinnlosen Flächenfraß. An der Haushaltslage ändert sich nichts, knapp zweieinhalb Millionen müssen so aber schon jetzt zusätzlich aufgewendet werden. Doch CSU und BBV beschließen als gemeinsamen Königsweg: Die Stadt soll am Sulzbogen möglichst mit Baubeginn 2020 selbst bauen. So würden es ja mehr Wohnungen, wenn wir sie bauen würden, und mehr Wohnungen könnten den Bau auch besser refinanzieren.

Das klingt eigentlich wie ein Paradefall für realen Irrsinn der beliebten Satiresendung „Extra3“. Damit wir ein geplantes Wohnbauprojekt angeblich rentierlich finanzieren können, wenden wir erst mal geschätzte 3 Mio.€ auf, um einen Schülerhort auszulagern (jetzt separat zusätzliche Baukosten für die Kita, bereits entstandene Kosten für die alte Planung am Sulzbogen plus Kosten einer neuen Planung dort).

Fehlgeleitete Haushaltsrechnung auf Kosten der Schüler/innen im Westen

Ohne irgendeine Autorisierung des Stadtrats hat der OB diesen neuen Schülerhort „sicherheitshalber“ bereits planen lassen, während seine Bauverwaltung für andere, berechtigte Anliegen grundsätzlich wegen tatsächlicher Personalprobleme keine Zeit hat. Er soll auf dem Gelände der neuen Schule West an der Cerveteristraße entstehen, für dessen Fläche der Stadtrat gerade erst (eigentlich) einen planerischen Wettbewerb beschlossen hatte, der damit weiter eingeschränkt wird.

In einem geradezu hanebüchenen, satirereifen Sachvortrag musste seine Verwaltung daraufhin begründen, warum sie entgegen vorheriger Vorstellungen (auf Betreiben der Verwaltung wurde der Schülerhort ja ursprünglich in das Wohnbauprojekt integriert) jetzt plötzlich einen Standort an der Cerveteristraße für unabdingbar hält. Kernthese dabei: Der Schülerhort müsse unbedingt vor dem Schulneubau errichtet werden, weil er für die jetzt bedürftigen Kinder gedacht sei und keinesfalls von den dann zukünftigen, im benachbarten Neubau befindlichen Schülern in Beschlag genommen werden sollte. Warum es für die vorhandenen Schüler/innen der bisherigen Schule West aber vorteilhafter sein sollte, 700 Meter weiter laufen zu müssen, um eine weitere Hauptverkehrsstraße zu queren, wurde nicht begründet.

Dieser Schülerhort wird errichtet werden direkt an der Cerveteristraße im Einfahrtsbereich einer der größten städtischen Baustellen der nächsten Jahre. In direkter Nachbarschaft beginnt gerade der Neubau der IGEWO- Wohnalage nahe den neuen Stadtwerken und sind die Wohncontainer für die Bauarbeiter des Bahnhofumbaus Buchenau angesiedelt. Er ist einstöckig geplant mit Photovoltaik auf dem Dach. Man war sich seit Jahren einig, dass im Zuge der Verhinderung von Flächenfraß einstöckige Gebäude der Vergangenheit angehören müssen. Der Einwand wurde ebenfalls abgewedelt mit dem Argument, man könne ja später noch „aufstocken“.

Die SPD bleibt am Ball

Das ist ein Schlag ins Gesicht der Familien des Brucker Westens. Hätte der OB einfach die bestehenden Vorgaben des Stadtrats schlicht zielführend umgesetzt, wäre ein sinnvoller Schülerhort bereits zum nächsten Schuljahr beziehbar. Jetzt bekommen wir erneut eine typische Brucker „Kompromisslösung“:

Einen als schnelle Notlösung geplanten Schülerhort am ungünstigsten Ort und trotzdem zeitnah keine dringend benötigten Wohnungen.

Wir werden deshalb durch dauernde Nachfragen sehr genau darauf achten, wie der OB diesen Mehrheits“kompromiss“ auch tatsächlich umsetzt und weiter darauf bestehen, dass die Stadt auf eigenen Grundstücken auch tatsächlich Wohnungsbau aktiv betreibt. Vor allem aber muss städtischer Wohnungsbau endlich als eigenes Handlungsfeld der Kommune begriffen werden. Der belastet nämlich städtischen Haushalt nicht. Aus anfänglichen Schulden wird über laufende Einnahmen Stadtvermögen, das dauerhaft bleibt. Das akzeptiert auch eine Kommunalaufsicht.