Am 30. Januar wurden zwei junge Frauen vom Brucker Amtsgericht wegen Diebstahls verurteilt, weil sie aus der Abfalltonne eines Supermarkts gebrauchsfähige Lebensmittel entnommen haben. Zu Recht hat das für Aufregung gesorgt. Verschwendung von Lebensmitteln wird schon lange als Problem gebrandmarkt, die Politik ändert aber fast nichts. Zur selben Zeit wurde berichtet, dass viele Online-Versender aus Kostengründen rückgesendete Waren einfach vernichten anstatt sie erneut zu verkaufen. Der SPD-Ortsverein hat darüber lange diskutiert und fordert Konsequenzen. In einem ausführlichen Antrag haben wir die SPD-Beteiligten des Berliner Regierungsgeschehens aufgefordert, konkrete Gesetzesvorlagen auszuarbeiten, um Verschwendung wirksam bekämpfen zu können. Die strafrechtliche Relevanz des „Containerns“ ist nämlich eigentlich zweitrangig. Wir müssen Lösungen finden, die „Containerrn“ unnötig machen.

Kampf gegen Verschwendung ist nachhaltiger Klimaschutz

Wer nachhaltigen Klimaschutz für unsere Kinder ernst meint, der muss auch das Problem der Verschwendung an der Wurzel packen. Jedes irgendwo gefertigte Produkt verbraucht Ressourcen, Arbeit und Transportwege und belastet deswegen unsere Klimabilanz. Wird das Produkt aber am Ende gar nicht benutzt, sondern „entsorgt“, belastet das unsere Bilanz nochmals ohne Gegenwert. Die moralische Frage in einer in weiten Teilen immer noch Hunger leidenden Welt kommt obendrauf: Können und wollen wir es uns leisten, gerade Lebensmittel einfach wegzuwerfen?

Verschwendung in unserer Gesellschaft und ihren Lebensvorstellungen wird aber verursacht von Anbietern, die gewollt ein Überangebot produzieren und Verschwendungsverluste ganz bewusst einkalkulieren. Hier kann ein erster Riegel eingeschoben werden, wie ihn auch andere EU-Länder bereits praktizieren. Aus unserer Sicht müssen Anbieter gesetzlich in eine Mitverantwortung gezwungen werden, noch gebrauchsfähige Produkte Menschen zukommen zu lassen, die sie auch verwenden können und werden. Es kann nicht sein, dass Tafeln und andere Hilfsorganisationen dort zum „Betteln“ anklopfen müssen. Vielmehr müssen die Anbieter selbst (gesetzlich erzwungen) zukünftig dafür sorgen, dass ihre Produkte und ganz speziell Lebensmittel nicht vernichtet werden, sondern ge- oder verbraucht werden können von Menschen, die sie nötig haben.

Lebensmittelretter zu Verteilern machen!

Deswegen führt die hier vor Ort heftig diskutierte Frage, ob das Öffnen eines abgeschlossenen Abfallcontainers strafrechtlich (aktuell) relevant ist oder nicht, völlig am eigentlichen Inhalt vorbei. Selbst die Angeklagten machen keinen Hehl daraus, dass es ihnen nicht um Juristerei sondern um Aufmerksamkeit für das Thema geht. Die haben sie erreicht und wollen sie offenbar auch weiter am Leben halten, obwohl sie es sich durch einfache Aufgabe des Rechtswegs sehr viel einfacher machen könnten und nur durch Verteilung geretteter Lebensmittel für sich vermutlich mehr Gemeinsinn sehen würden.

Eigentliches Ziel muss deshalb doch sein zu erreichen, Lebensmittel systematisch zu retten, also dass gebrauchsfähige Waren und besonders Lebensmittel überhaupt nicht in Müllcontainern landen dürfen und erst so zu „Abfall“ werden. Nicht die nachträgliche „Revitalisierung“ von Abfall sollte zukünftig unter Strafe gestellt werden können sondern vielmehr die Aktion, ein gebrauchsfähiges Produkt wegzuwerfen und damit dem Verwendungskreislauf absichtlich zu entziehen. Wäre das erreicht, bräuchte die juristisch feinsinnige Frage, ob das Öffnen eines Abfallbehälters mittels eines handelsüblichen Vierkantschlüssels den Tatbestand des schweren Diebstahls erfüllt oder welchen „Wert“ dieser Abfall haben sollte gar nicht erst diskutiert werden.

Dann müssen sich nämlich die Anbieter um die Logistik kümmern, wie ein Überangebot dennoch in Gebrauch kommt anstatt vernichtet zu werden. Schon aus Kostengründen wird sich hier sehr bald eine wirtschaftliche Lösung finden, wie sich auch bei unseren europäischen Nachbarn zeigt. Und Lebensmittelretter können sich um Verteilung kümmern statt um publikumswirksame Sicherung.

Was ist Abfall, wer verursacht ihn warum und wer verdient daran?

Es geht also sehr wohl um Klarstellung, was Abfall eigentlich ist. Wir wollen bei unserer Initiative nämlich den privaten Endverbraucher ausdrücklich ausschließen. Wer glaubt, sein Joghurt sei nach Ablauf des MHD nicht mehr genießbar soll ihn wegwerfen, sich nur nicht beklagen, wenn jemand anderes ihn an sich nimmt.

Im Verlauf gewerblicher Produktionsketten aber gibt es mittlerweile fast keinen Abfall. Davon lebt eine Recyclingwirtschaft sehr gut und nicht umsonst heißen unsere großen Abfalltonnen „Wertstoffhöfe“. Mit diesem Begriff von Nachhaltigkeit haben wir uns bisher zufrieden gegeben. Abfall kann also Wert haben. So wandern ungebrauchte Lebensmittel in die Tierfutterverwertung, nicht verkaufte Elektroartikel als Wertstoffe ins Recycling. „Pfandflaschensammeln“ ist zum „Geschäftsmodell“ für die Ärmsten geworden und wurde auch schon juristisch hinterfragt.

Es ist aber eben nicht nachhaltig genug, die zweitbeste Lösung zu akzeptieren. Ein gebrauchsfähiges, mit Aufwand hergestelltes Produkt darf nicht einfach Abfall werden können. Ein Anbieter, der es nicht verkaufen kann, muss gesetzlich gezwungen werden, es auf anderen Wegen seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen und eben nicht als Abfall noch verwerten zu können. Ob das die Tafelvereine, Wertstoffbörsen, Lebensmittelretter oder andere zukünftig entstehende Organisationsformen sind, spielt keine Rolle.

Kann ich dann im Oktober keinen Spargel mehr kaufen und alles wird teurer?

Die Frage, ob man im Oktober Spargel aus Peru oder im Januar Erdbeeren aus Andalusien kaufen möchte, soll auch zukünftig jeder für sich selbst beantworten. Würde aber den Händlern gesetzlich auferlegt, selbst und auf eigene Kosten dafür sorgen zu müssen, dass solche Artikel auch tatsächlich von jemanden gegessen werden, könnte es doch durchaus sein, dass solche Angebote eher knapp gehalten oder teurer werden. Allerdings war ja der weggeworfene Anteil bereits bisher im Preis der tatsächlich verkauften Produkte enthalten. Das Wegwerfen war nur eher billig kalkulierbar.

Unsere Vorstellungen könnten diese Wegwerf-Logistik tatsächlich verteuern. Sie können aber auch ganz einfach zu besserer Effizienz in der Kalkulation des Warenverkehrs führen. Am Ende wird es also wohl kaum teurer werden. Nur die bekannten 30%-Rabattangebote („muss jetzt raus“) würden vermutlich weniger.

Es mag sein, dass unsere Lebensstil-Vorstellung, alles und jedes jederzeit zur Verfügung zu haben, darunter leidet. Das eine oder andere Produkt könnte auch 10 €cent teurer werden. Das sollten wir uns leisten können und wollen. Dem Prinzip Verschwendung können wir aber nur begegnen, wenn wir es an der Wurzel packen. Und die liegt eindeutig bei den Anbietern.

Den ausführlichen Antragstext mit Begründung und weiteren Erläuterungen können Sie hier nachlesen.